Konstruieren 1:1

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“Von der Erkenntnis des Machens”

Arbeiten am 1:1


Die Lehre der Baukonstruktion bleibt im Rahmen der Vorlesungen und Übungen innerhalb der Hochschule meist abstrakt. Es wird Wissen über Fügungsprozesse vermittelt, unterschiedlichste Materialien werden thematisiert. Die Erfahrung - die Auseinandersetzung mit dem Material ist jedoch essentiell um Architektur begreifen zu können. Sie entsteht erst im Prozess des Machens, beim selbst zusammenfügen und selbst Hand anlegen.

Bei Prof. Heinrich Lessing arbeiten wir in unseren ersten drei Semestern Konstruktion daher am Modell im Maßstab 1:1. Dabei entstanden unterschiedliche Projekte, welche uns wichtige Erkenntnisse mit auf den Weg gaben. Wir erfuhren, wie es auf einer kleinen Baustelle bereits zugehen kann und wie wichtig ein Verständnis vom Handwerk ist. Wir lernten dass es dort auch mal dreckig zugehen kann und wie wichtig Kommunikation und Improvisation sind.

Wenn man mit einem Ziegelstein spricht und ihn fragt, was er sich wünscht, wird er sagen: einen Bogen.
— Louis Kahn, 1972

Im Sommersemester 2018 beschäftigten wir uns mit einem Grundbaustein der Architektur - dem Ziegel - und fügten ihn zu seiner nobelsten Form zusammen. Wir lernten wie Ziegel und Mörtel zu einer Einheit werden und die Kräfte aneinander weitergeben, aber auch wie wichtig ein genaues Verhältnis beim Fügen der Bausteine ist.

Im Wintersemester 2018/19 lernten wir den Aufbau einer Vormauerschale am 1:1 Projekt kennen. Der Ziegel fungiert hier als Außenhaut der Konstruktion. Der Anschluss und die Abdichtung des Fensters waren ebenfalls Teil des Projekts. Hier verwandelten sich nun die Abstrakten Linien der sonst gezeichneten Schraffen in gefügte Materie. Wir lernten, wie wichtig Präzision beim Stapeln der einzelnen Bausteine ist und dass die Realität Fehler weniger verzeiht als die Zeichnung.

Im Sommersemester 2019 wurde ein Wettbewerb unter den KonstrukteurInnen des dritten Semesters ausgerufen. Ein Entwurf für eine Sitzbank, überwiegend aus dem Material Beton, vor dem Büro der Hausmeister war gewünscht. Die Jury entschied sich für den Entwurf einer frei schwebenden Betonbank. Nachdem das Fundament ausgehärtet war, banden wir den Bewehrungskorb für den ersten Betonierabschnitt. Nachdem die Holzschalung darüber gestülpt worden war, wurde der Zwischenraum mit Beton gefüllt. Im nächsten Bauabschnitt wurde die Bewehrung der Sitzfläche und der Lehne mit dem bereits betonierten Teil verbunden, die Schalung erneut darüber gestülpt und mit frischem Beton ausgefüllt. Dabei wurden drei Öffnungen für eine anschließende Lichtinstallation ausgespart. Hier lernten wir, wie wichtig die genaue Planung und das Durchdenken der Schalung und die Dimensionierung der Bauteile für das Endergebnis sind und wie sich die Oberflächenstruktur der Schalung auf die des Betons überträgt. Die Tragkraft des Stahlbetons beeindruckte uns im 1:1 sehr.

Im Wintersemester 2019/20 beschäftige sich der Kurs mit dem Baustoff Lehm. In Kombination mit dem Ziegel entstand auf dem Campus eine Stampflehmwand mit einem gemauerten Ziegelbogen. Der in zwölf Zentimeter hohen Schichten verdichtete Lehm dient als Widerlager des Bogens. Abschließend sorgt ein Dach für Schutz vor Witterung. Bei diesem Projekt kommen zwei unterschiedliche Materialien zusammen, der gestampfte Lehm, ein Urmaterial des Bauens, und der gebrannte Ziegel. Die unterschiedliche Festigkeit der Materialen, sowie ihre Farbgebung lässt beide in Dialog miteinander treten. Der sanft anmutende Lehm nimmt die Lasten des harten Ziegels entgegen und führt sie über das Fundament in den Untergrund ab. Die Faszination dieses Prozesses ist am Beispiel dieses Projekts erfahrbar.

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Aycan Durna

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Valentin Beck